„Als sich unser Bewusstsein entwickelte, sprach nichts dafür, dass wir einmal etwas anderes tun würden als unsere Vorfahren, die Affenmenschen. Wäre es nach den Regeln der Natur gegangen, hätten wir unsere Fähigkeiten auch nur dazu benutzt den Schwächeren zu töten. Aber wir gaben uns selbst Gesetzte, wir erschufen eine Ethik, die nicht den Stärkeren bevorzugt, sondern den Schwächeren schützt. Dafür gab es kein Vorbild, nichts deutete in der Natur darauf hin, und genau das ist es, was uns im höchsten Sinn menschlich macht: die Achtung des Nebenmenschen.“

(Ferdinand von Schirach/Alexander von Kluge, Die Herzlichkeit der Vernunft, Luchterhand Literaturverlag München, 2017)

Von dieser idealistischen Betrachtung ist unsere Realität meilenweit entfernt.

Schützen wir den Schwächeren, wenn wir es zulassen,

• dass Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken,
• dass Frauen noch immer, auch in Deutschland, zwangsweise beschnitten werden,
• dass wir im Namen des gerechten Gottes massenhaft Menschen abschlachten,
• Donald Trump anweist, dass die in vielen Bundesstaaten der USA ausgesetzte Vollstreckung der Todesstrafe aufzuheben sei und die Strafen jetzt zeitnah zu vollstrecken seien?

Leider fehlt der philosophischen These der Beweis in der Realität. Ethik begreifen wir nur als die Verteidigung der eigenen Interessenlage. Den Schwächeren schützen wir nur, wenn wir selbst dadurch gestärkt hervorgehen.

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